Die Große Halle

Cain schaute das Mädchen, dass so eine Sauerei anstellte mit einem verächtlichen Blick an. Zum Glück saß sie schräg gegenüber von ihm und damit weit genug entfernt.
Ihm fiel sogar ihr Name ein: 'Püppchen'. Naja, das war zumindest der Name, den er benutzte. Der einzige Grund warum er überhaupt ihre Existenz wahrnahm, war aber der, dass seine Familie häufig Geschäfte mit dem französischen Adel machte.

"Ms. Santiago wurde bereits befragt. Genauso wie Mr. Hemsworth.", äußerte Mr. Peck. "Kannten Sie die Verstorbene gut?"
Er musterte das Mädchen. Vom Alter her könnte sie sogar im selben Schlafraum wie Katie gelebt haben.

"Na ja gut kennen. Was heißt gut kennen. Wir waren im selben Jahrgang im selben Haus und im selben Schlafsaal. Aber ich glaube wirklich nicht, dass ich ihnen weiterhelfen kann." Antoine konnte sich nicht vorstellen, irgendwelche Fragen eines Unbeteiligten zu dem Tod von Katie zu beantworten, von dem sie noch nicht einmal etwas mitbekommen hatte. Sie strich sich eine Haare aus dem Gesicht, die sich aus ihrer sonst immer perfekt sitzenden Frisur gelöst hatte.
Während sie Hilfe suchend um sich sah, bemerkte sie den abfälligen Blick von Cain Emrys. Er war ein eher unangenehmer Zeitgenosse, aber Antoine kam mit so ziemlich jedem Slytherin gut zurecht und vor allem mit ihm wollte sie es sich nicht verscherzen, denn seine Familie war mächtig und einflussreich und hatte obendrein noch viele Kontakte zu ihrer Familie. Sie sah ihn kurz entschuldigend an, lächeln konnte sie aber nicht, denn die Sache mit Katie war immer noch ein zu großer Schock, auch wenn sie es immer noch nicht recht realisiert hatte.
"Wenn sie mit Veronica gesprochen haben, dann haben sie vermutlich auch mit Katies älterem Bruder gesprochen. Nun ja. Sie war keine typische Slytherin, wenn sie wissen, was ich meine. Sie war oft mit Gryffinfors zusammen und hat sich nicht besonders um Vorurteile oder Feinschaften zwischen den Häusern gekümmert." Antoine achtete genau darauf, von Katie in der Vergangenheit zu sprechen. Vielleicht konnte sie es dann schneller realisieren.
Die Französin wollte ihre Ellenbogen auf den Tisch legen, bemerkte aber, dass das Wasser, welches sie verschüttet hatte, noch nicht verschwunden war und murmelte leise "Ratzeputz!". Die Pfütze verschwand und Antoine stützte ihre Ellenbogen darauf.
"Haben sie sonst noch Fragen?", fragte sie freundlich, aber bestimmt. Sie wollte dieses Gespräch wirklich nicht führen.

Mr. Peck nickte abwesend und zog wieder ein Stück Pergament und seine magische Feder hervor, die sich automatisch Notizen machte.
"Wir haben Informationen, dass Katie bereits ein paar Wochen zuvor aus Hogwarts verschwunden ist. Hat sie in der Nacht, als sie gegangen ist, ihnen gegenüber irgendetwas geäußert?", fragte er und ließ währenddessen seinen Blick den Tisch entlangwandern.

Antoine sah Mr. Peck mit schräg gelegtem Kopf an. Innerlich war sie extrem wütend und auch ein wenig fassungslos. Sie hatte gerade eben erst vom Tod ihrer Freundin erfahren und er wollte alles ohne Rücksicht auf ihre Gefühle wissen.
Sie sah ihn gefühllos an und sagte eiskalt: "Es tut mir Leid, aber über den Schock der Nachricht von Katies Tod, habe ich das leider vergessen. Sie entschuldigen!" Antoine wandte den Blick ab. Es war ihr egal, was dieser Mensch von ihr hören wollte. Es interessierte sie nicht, was er machte oder wer er war. Sie fand sein Verhalten dreist und unangebracht und solches Verhalten konnte sie gar nicht ausstehen.
Sie beschloss mit dem erstbesten Menschen ein Gespräch anzufangen und da leider niemand außer dem Erben Merlins am Tisch saß, musste sie wohl oder übel mit ihm reden. Nicht dass ihr das etwas ausmachen würde. Sie ahnte nur, dass ihr gegenüber nicht allzu erfreut deswegen sein würde. Er war nämlich nicht unbedingt der geselligste Mensch.
"Cain, wie geht es eigentlich ihrem Vater? Gibt es für meine Familie relevante Neuigkeiten bezüglich des Geschäfts?" Antoine wusste nicht genau, was die Familie Emry anbot und womit sie handelte, aber sie wusste, dass sie handelte und sie wusste erst recht, dass sie mit ihrer Familie handelte. Sie hoffte einfach nur, dass der Spross der Familie mitspielte.

Cain hatte gerade die Feder des Typen vom Ministerium gelangweilt beobachtet, als 'Püppchen' sich an ihn wandte. Er wusste im ersten Moment nicht, ob er sie skeptisch anschauen oder lauthals loslachen sollte.
Er entschied sich schließlich für seine Version von 'höflich'.
"Mein Vater erfreut sich leider immer noch bester Gesundheit.", sagte er seelenruhig, naja bis auf den kleinen Unfall im letzten Sommer, fügte er gedanklich hinzu. Über das Geschäft schwieg er, immerhin befanden sie sich in Gesellschaft, stattdessen bedachte er Mr. Peck mit einem dreckigen Grinsen.

Antoine atmete erleichtert auf. Erst dann fiel ihr auf, dass Cain das Wort "leider" benutzt hatte und sie lachte leise. "Ich sehe, dass der Ehrgeiz wohl innerhalb der Familie liegt. Sie möchten sicherlich das Geschäft sobald wie möglich übernehmen. Und da ist einem so ziemlich jedes Mittel recht. So ein wenig kenne ich das auch, allerdings geht es bei uns eher darum, die ganze Familie zu etablieren." Sie hatte verstanden, dass er nicht über das Geschäft reden wollte und versuchte eine nicht zu ernste Konversation zu betreiben, die Mr. Peck endlich zum Gehen veranlassen würde. Sie sah das dreckige Grinsen von Cain und lächelte, froh, dass er sie zu unterstützen schien, auch wenn er das sicherlich nicht ihretwegen machte. Sie schätzte, dass er seinen Ruf des Bad Boys einfach nur über andere Institutionen ausweiten wollte. In Hogwarts war er als solcher nämlich schon recht bekannt.
Und Antoine merkte erst, als sie das zweite Mal innerhalb so kurzer Zeit lächelte, dass ein Gespräch mit ihm sehr amüsant sein konnte - und vor allem, dass es sie von Katies Tod ablenkte, worüber sie sehr dankbar war. Sie musste ihm später dafür danken, auch wenn er das sicherlich nur für sich selbst machte.

Mr. Peck sah Cain kurz mit verdatterter Miene an. Was das Mädchen sagte, hörte er gar nicht, doch schließlich fing er sich wieder.
"Wenn Ihnen noch etwas einfällt, melden Sie sich bei mir." Mit einem leichten Nicken verabschiedete er sich und ging zum anderen Ende des Tisches um sich dort mit weiteren Schülern zu unterhalten.

Cain sah Mr. Peck hinterher, wobei sein dreckiges Grinsen nicht verblasste. Dann wandte er sich wieder an sein Gegenüber. Erst jetzt kamen ihre Worte richtig bei ihm an und seine Mundwinkel zuckten unkontrolliert bei dem Versuch nicht doch noch lauthals loszulachen. Wie viel Naivität verträgt ein Mensch?
"Du hast keine Ahnung, was meine Famillie macht, nicht wahr." Obwohl es wie eine Frage formuliert war, klang es nicht wie eine.

Als Mr. Peck endlich weg war, schloss Antoine kurz die Augen und lächelte Cain freundlich und dankbar an, als sie diese wieder öffnete. "Vielen Dank! Sie haben etwas gut bei mir!" Antoine wusste, dass es ungewöhnlich war, dass sich Schüler innerhalb Hogwarts siezten, aber sie wusste, dass sie mit Cain später einmal Geschäfte machen würde und er war nicht der Typ, den man einfach so duzte, weswegen sie ihn siezte.
Cain stellte ihr eine Frage. Na ja. Es klang nicht wie eine Frage, sondern wie eine Feststellung und Antoine wusste, dass sie ihm keine Antwort darauf schuldete. Sie schaute ihn entschuldigend an. "Ich schätze, dass war nicht besonders intelligent, aber die meisten Menschen hier schalten ab, wenn man das Wort Geschäft erwähnt und damit nicht gerade einen Einkaufsladen meint." Sagte sie mit einer Nuance Herablassung. Manchmal kam sie sich hier drinne wirklich wie ein Genie vor - allerdings nicht unbedingt in diesem Moment.

"Ich bezweifle, dass dich die Geschäfte meiner Familie jemals interessieren werden, aber vielleicht kommen wir ja eines Tages ins Geschäft.", meinte Cain mit gehobenen Augenbrauen. Letzteres bezweifelte er zwar auch, aber es konnte nicht Schaden sich ein Türchen zur zukünftigen Elite von Frankreich offen zu halten, besonders wenn diese so offenbar von sich selbst überzeugt war.

Ben war überrascht von Vers Gleichgültigkeit, bis er darauf kam, dass sie ja noch unter Schock stand. Er zog sie noch enger an sich und küsste sie kurz auf die Stirn. "Wenn ich irgendetwas für dich tun kann, dann sag es einfach, okay?"

"Sí, claro..", murmelte Veronica. Sie war wirklich froh, dass Ben da war und sich so um sie kümmerte, auch wenn sie so etwas normalerweise nicht mochte.

Skeptisch beobachtete Amalie das Geschehen zwischen Mr. Peck und der rothaarigen Slytherin, dessen Name ihr jedes mal entfällt. Amalie musterte diese auffällig. Immerhin war sie auch der Typ Mädchen, welche in der 3-6 Klasse jede Pause über ihr außergewöhnliches Aussehen gelacht hatte. Verspottet, Beleidigt und teilweise sogar Verhext wurde sie von ihr und den anderen 'tussigen Weibern' aus Slytherin. Auch wenn Luke ihr einredete dass die Rivalität zwischen den Häusern pure Einbildung wäre, konnte Amalie dies wirklich nicht nachvollziehen. Sie hasst das Haus Slytherin und gibt das auch offen zu.

Ben schaute Ver fragend an. "Du sprichst Spanisch? Das wusste ich gar nicht."

Etwas amüsiert schaute Veronica zu Ben hoch.
"Perdón? Naturalmente! Ich bin zweisprachig aufgewachsen.", antwortete sie.

Luke drückte Amalie einen kurzen Kuss auf die Halsschlagader und löste sich dann wieder ein Stück von ihr. Mr.Pecks Befragung hatte ihn wieder sehr durcheinander gebracht, aber nun hatte er sich wieder beruhigt und schaute misstrauisch zu Ver. Sie spielte mal wieder die Starke, was ihm ja von vorneherein klar gewesen war, aber sie musste das nicht für ihn tun. Hoffentlich war ihr das klar. Ben schien ihr allerdings eine gute Stütze zu sein, was Luke fast zum Lächeln brachte. Auch wenn die beiden eigentlich eine Scheinbeziehung führten, so wirkte es trotzdem so, als würde da noch mehr zwischen den beiden laufen. Ver stritt natürlich immer alles ab, aber die Art, wie die zwei sich ansahen... Seine Hand platzierte sich wie von selbst auf Amalies Oberschenkel die misstrauisch zum Slytherintisch blickte, was ihn zum Seufzen brachte. Er wusste, wie Amalie zu den Slytherins stand, sie hatte ja auch nur schlechte Erfahrungen gemacht. Sie hatte Katie nie wirklich kennengelernt... Schnell versuchte Luke den Gedanken an seine Schwester zu verdrängen.

"Achso." Ben lächelte leicht. "Dann bist du jetzt wohl la nena." Ben hatte in der Grundschule die Spanisch AG besucht, aber wirklich gut war er nicht. Einzelne Wörter wie Hola oder Gracias waren ihm allerdings ihm Gedächtnis geblieben.

Amalie hatte ganz vergessen zu fragen:"Luke, wie war eigentlich die Befragung? Hatte ich ja total verpeilt.." Interessiert sah sie Luke an während sie sich dabei durch die Haare fuhr.

Luke seufzte erneut. "Nicht gerade das Gelbe vom Ei. Dieser Mr. Peck ist echt seltsam. Und er hat mir..." Erneut fiel es ihm schwer, den Namen seiner Schwester auszusprechen. "Katies Kommunikationsstein gegeben. Den ich ihr zum Geburtstag geschenkt hatte."

"Wenn du nena zu mir sagst, nenne ich dich gordo*.", meinte Veronica und lächelte leicht. Dann seufzte sie.


*Dickerchen

"Hey, das ist aber nicht nett! Und ich bin nicht dick!" 'Empört' rutschte Ben wieder ein Stück von Ver weg und verschränkte die Arme vor der Brust. Verdammt, Luke färbte wirklich auf ihn ab. Und außerdem hatte er durch das Quidditch-Training ordentlich Muskelmasse aufgebaut, Ver durfte sich gar nicht beschweren.

"Das tut mir leid mein Lieber." Zärtlich küsste sie ihn auf den Mund. Sie wollte ihm nicht wehtun indem sie das ganze neu aufmischte. "Dieser Peck ist so ein eigenartiger Kauz." Das sagte sie extra laut, so dass der Ministeriumsangestellte es deutlich hören konnte.

Matt war froh darüber, dass Sally bei ihm war. Er nahm sie fest in den Arm. Eventuell etwas zu fest, aber ihre Nähe tat ihm gerade gut. Nach ein paar wenigen Sekunden löste er sich von der Umarmung.
"Tut mir leid, falls es gerade etwas zu fest war", flüsterte er und vergrub sein Gesicht in ihren Haaren.
Er hätte nie gedacht, dass Katies Tod ihn so mitnehmen würde. Verdammt. Normal realisierte er solche Fälle nie so schnell. Normal braucht er dafür viel länger, nur diesmal hielt der Schockzustand aus irgendeinen Grund nicht lange. Warum auch immer, er wusste es nicht.
Irgendetwas lief mächtig schief. Und er wusste, dass das nur der Anfang war. Es würde wahrscheinlich noch viel schlimmer werden. Wenn er doch nur falsch liegen würde.

"Aguafiestas*", meinte Veronica, als Ben von ihr wegrückte und die Arme verschränkte. Dennoch musste sie grinsen, Ben schien sich unbewusst etwas von Lukes Verhalten angewöhnt zu haben.


*Spielverderber